Donnerstag, 2. April 2020, 19:00 Uhr
Club Courage, Wolbecker Str. 14, 48155 Münster
Der ‚Tabubruch‘ von Erfurt
bringt ein paar demokratische Lebenslügen der Republik ins Wackeln
Viele Bürger finden es nicht in Ordnung, dass demokratische Politiker sich mit Hilfe von Rechtspopulisten, ja Faschisten, in ein Amt wählen lassen. Das geht gar nicht? Doch, das geht! Und es ist nicht mal un-demokratisch. Sondern bringt eine gerne missverstandene Banalität zur Anschauung: Das Ergebnis demokratischer Wahlentscheidungen ist Ermächtigung – Punkt. Die Abgeordneten in Thüringen haben dieses Prinzip mit knapper Mehrheit beherzigt: Das Wahlvolk hat sie befugt, einen Ministerpräsidenten zu installieren; von dem Freibrief machen sie dann Gebrauch und küren einen der Ihren zum Chef über Land & Leute. Der Wählerwille verfälscht? Von wegen! Der existiert getrennt von jedem Motiv, warum man die eine oder die andere Partei angekreuzt hat, als Mehrheitsverhältnis: Die MdL entscheiden aus ihren Beweggründen, mit wem sie regieren wollen. Missverstanden wird diese Ermächtigung gern als Bindung der Macht – an das Verfahren sowieso, v.a. aber an den Auftrag, was sich für ihre Inhaber eigentlich gehöre.
Doch auch in der Hinsicht hat die ‚Schande von Thüringen‘ hohen Aufklärungswert: Was die Vertreter der Volksparteien daran schändlich finden, verdankt sich nämlich keineswegs dem bedingungslosen Anti-Faschismus, der dieser Republik nachgesagt wird. Einen ‚Dammbruch‘ sehen die Berliner Zentralen darin, den Falschen die Hand und ein Stück Macht gegeben zu haben, die rechtsradikalen Liebhabern des deutschen Volkes nicht zusteht: Die Parteien der Mitte fürchten um ihr Recht auf Ermächtigung, das sie als Besitzstand beanspruchen, und erneuern die ‚Brandmauer‘ gegen die ärgerliche Konkurrenz durch die AfD, die ihnen Wähler klaut. Der Unvereinbarkeits-Beschluss setzt das Monopol von CDU, SPD, FDP plus Grünen, das Regieren 70 Jahre unter sich aufteilen zu können, in eins mit dem polit-moralischen Ethos der Bundesrepublik ‚Nie wieder Faschismus‘ – und erklärt jede Stimme für sie zu einem Beitrag zur Rettung Deutschlands vor der rechten Gefahr. Was ohne solche Nationalisten, nur mit Demokraten an der Macht alles in Ordnung geht, ist zwar auch nicht von schlechten Eltern, aber was soll‘s: Hauptsache, die AfD bleibt draußen. Die Nation bewerkstelligt ihren politischen Rechtsruck ganz ohne Nazis.